Volle Unterstützung des palästinensischen Befreiungskampfes – aber wie?
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,
die Unterdrückung des palästinensischen Volks dauert seit Jahrzehnten an – seit dem Moment, als der völkerrechtlich anerkannte Staat Israel unter zionistischer Führung die Unterdrückung und Auslöschung des palästinensischen Volkes mit der Nakba 1948 begann. Mit der Blockade seit 2007 wurde der Gazastreifen in ein dicht besiedeltes Freiluft-Gefängnis unter brutaler israelischer Besatzung verwandelt. Heute sind ca. 6000 politische Gefangene in Israel inhaftiert, ca. 820 in Administrativhaft ohne Anklage, ohne Gerichtsverhandlung und ohne jegliche Beweise. Mit der weiteren Faschisierung des imperialistischen Israel, mörderischen Angriffen von rassistischen Siedlern und dem anhaltenden Landraub im Westjordanland übt das zionistisch-imperialistische Israel einen permanenten Staatsterror aus. Der jetzige Krieg gegen Gaza ist ein einziges Kriegsverbrechen gegen Mensch und Natur und mit nichts vom 7. Oktober zu rechtfertigen. Über 20.000 Tote, großteils Zivilisten und mindestens 50.000 Verletzte, Tausende zerstörte Wohnungen und Häuser, verbrannte Erde, Vernichtung elementarer Infrastruktur zur Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln, Benzin und medizinischer Hilfe. Es gibt so gut wie kein funktionierendes Krankenhaus mehr im Gazastreifen und das bei täglich neuen Verletzten durch die Bombardierungen und die Bodenoffensive. Dieser Krieg verstößt sogar gegen das bürgerliche humanitäre Völkerrecht und erfüllt dessen Kriterien für Kriegsverbrechen.
Dieser Krieg muss sofort beendet und sämtliche israelische Truppen zurückgezogen werden! Die imperialistischen Verursacher müssen Schadenersatz an das palästinensische Volk bezahlen und vollständig seine Rechte akzeptieren!
Die Behauptung, dass die Hamas sich in und unter Moscheen, Schulen und Krankenhäusern verstecken würde gibt Israel noch lange kein Recht, diese zu bombardieren und dem Erdboden gleichzumachen. Die Behauptung, der Krieg richtet sich vornehmlich gegen Führer der Hamas ist eine Lüge. Es ist ein Vernichtungskrieg gegen das palästinensische Volk. Das israelische Militär betreibt eine regelrechte Menschenjagd: zuerst wurden die Massen aufgefordert, vom Norden in den Süden zu ziehen. Jetzt ballen sie sich im Süden - und der Süden wird bombardiert und mit Panzern besetzt.
Als angeblich humanitäre Zonen sollen die Massen in Richtung Meer und Grenzübergang Rafah ziehen. Die Geheimpläne werden immer mehr offenbar: eine »Gaza-Nakba« zu inszenieren, die die palästinensischen Massen entweder ins Meer oder in die ägyptische Wüste Sinai treiben soll. Diesem Staatsterror wird von den imperialistischen Mächten der NATO und der EU – nur durch taktische Differenzen eingeschränkte – Schützenhilfe gegeben, vorneweg vom US- und deutschen Imperialismus. Dabei argumentiert der deutsche Imperialismus heuchlerisch, die Verpflichtung dazu resultiere aus dem Holocaust. Im Gegenteil! Aus dem Holocaust resultiert die Verpflichtung, einem erneuten Völkermord, diesmal an dem palästinensischen Volk entschieden entgegenzutreten. Die internationale Solidarität, der proletarische Internationalismus muss im Verbund mit den palästinensischen Massen dem allem ein entschlossenes Ende bereiten.
Der palästinensische Befreiungskampf ist berechtigt, hat unsere volle Solidarität und das strategische Ziel eines palästinensischen Staates, in dem palästinensische und jüdische Massen friedlich beisammen leben. Die MLPD verteidigt seit ihrer Gründung gegen alle Anfeindungen den palästinensischen Befreiungskampf.
Zugleich unterstützen wir»die nach dem Holocaust durch den deutschen Hitler-Faschismus eingenommene Position der damals sozialistischen Sowjetunion unter Stalin zur Gründung des Staates Israel. … Nach dem Scheitern eines gemeinsamen jüdisch arabischen Staates wurde 1947 die Aufteilung des bis dahin britischen Mandatsgebiets in Israel und Palästina beschlossen. Die damals sozialistische Sowjetunion unterstützte das in dieser Situation und erkannte als erstes den Staat Israel an, was richtig war.«1
Das Existenzrecht Israels anzuerkennen, bedeute keinesfalls, den Zionismus als Staatsräson, die faschistoide Politik des imperialistischen israelischen Staates oder gar die israelische Besatzung und ihren Staatsterror anzuerkennen.2Genauso wenig bedeutet es die Anerkennung der Osloer Verträge, die von der PLO Führung unterzeichnet wurden. Diese werden zu Recht als Verrat an der palästinensischen Sache gekennzeichnet. Diese Positionierung entspricht auch unserer entschiedenen Praxis der Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf gerade auch in den letzten Monaten.
Liebe Genossinnen und Genossen, zu dieser Solidarität gehört auch die Diskussion und Auseinandersetzung um die richtigeStrategie und Taktik des palästinensischen Befreiungskampfes auf der Grundlage revolutionärer und marxistisch-leninistischer Prinzipien. Ja, jede Bewegung entscheidet selbst über ihre Führung! Aber nein, das schließt keinesfalls eine kritische, sachliche, vom Klassenstandpunkt ausgehende auch öffentliche Diskussion darüber aus.
In diesem Zusammenhang führen wir eine prinzipielle Kritik an der Hamas und dem islamischen Dschihad und daran, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Wir kritisieren entschieden die Forderung, keine öffentliche Kritik an diesen Kräften zu üben, da sie nun mal wesentlicher Teil des palästinensischen Widerstandes seien.
Wegen dieser Position gibt es zum Teil heftige Anfeindungen und geradezu absurde Vorwürfe gegen die MLPD. Fälschlicherweise wird sich dabei zum Teil auf Lenin oder Mao Zedong berufen. Da es sich um eine ganze Bandbreite von »Argumenten« gegen unsere Position handelt müssen wir etwas ausführlicher darauf eingehen. Das bedeutet keinesfalls, dass wir diese Frage der prinzipiellen Ablehnung der zionistischen Politik überordnen. Wir beziehen uns besonders auch auf Mao Zedong, da unsere Kritiker in dieser Auseinandersetzung öfters aus Organisation des »maoistischen Lagers« kommen.
Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei Hamas und Dschihad nicht - wie bei Lenin oder Mao behandelt - um Vertreter dernationalen Bourgeoisie, derliberalen Bourgeoisie, derreformistischen Bourgeoisie oderkonservativer Kräfte im nationalen Befreiungskampf handelt. Hamas und Dschihad sind seit ihrer Gründung Teil einer länderübergreifenden, auf der Scharia aufbauenden reaktionären Richtung und heute vor allem verlängerter Arm der neuimperialistischen Länder Iran und Katar.3Aber selbst wenn sie diesen Charakter nicht hätten könnten Lenin und Mao Zedong keinesfalls als Kronzeugen für den Verzicht auf eine öffentlich kritische Bündnispolitik angeführt werden. Wer dort wirklich nachliest, wird feststellen, dass beide ganz klare Prinzipien für den nationalen Befreiungskampf und die offene Vertretung kommunistischer – auch kritischer - Positionen als Bestandteil jeder Einheitsfrontpolitik vertreten haben.
Lenin entwickelte für die Arbeiterklasse klare Kriterien für einzeitweiligesBündnis mit der nationalen Bourgeoisie zur Unterstützung ihres nationalen Befreiungskampfs. Dafür stellte er drei grundsätzliche Bedingungen:
- muss gewährleistet sein, dass die bürgerlichen Befreiungsbewegungen"wirklich revolutionär sind, wenn ihre Vertreter uns nicht hindern, die Bauernschaft und die breiten Massen der Ausgebeuteten in revolutionärem Geist zu erziehen und zu organisieren. Sind dagegen diese Bedingungen nicht vorhanden, so müssen die Kommunisten in diesen Ländern die reformistische Bourgeoisie bekämpfen ...“4
- ist nur der Kampf der Bourgeoisie einer unterdrückten Nation gegen die unterdrückende fortschrittlich und nutzt dem Proletariat. Aber jeder Kampf der Bourgeoisie (auch der eigenen) um nationale Vorrechte, Privilegien gegenüber anderen Nationen ist reaktionär und muß vom Proletariat prinzipiell bekämpft werden.
- dürfen sich die Kommunisten nicht mit den bürgerlich-nationalen Kräften verschmelzen, sondern müssen"unbedingt die Selbständigkeit der proletarischen Bewegung - sogar in ihrer Keimform - wahren ... "5
Diese Leitlinien Lenins sind allgemeingültig. Nicht die kritische Diskussion über Hamas oder Dschihad, sondern die Aufgabe revolutionärer Prinzipien fällt dem Interesse des Kampfes um nationale und soziale Befreiung des palästinensischen Volkes in den Rücken und verstößt gegen den proletarischen Internationalismus.
Erstens: Organisationen können nicht allein nach ihrer Stoßrichtung gegen einen Imperialisten, zum Beispiel die USA oder Israel, positiv beurteilt werden. Diese Fehleinschätzung haben die iranischen Kommunisten mit dem Blut tausender Revolutionäre bezahlt. Sie haben zeitweilig Khomeini in seiner Stoßrichtung gegen den Schah und die USA unterstützt und mit ihm gar als »antiimperialistisch« zusammengearbeitet. Nach dem »Sieg« über diese setzte ein blutiges Gemetzel ein. Heute wird diese »Einheitsfront« einhellig von Revolutionären als tödlicher Fehler beurteilt. Allein das Kriterium »Stellungnahme für Palästina« ohne jeden Klassenstandpunkt anzulegen würde heute geradewegs in eine sozialchauvinistische Verbrüderung mit Erdogan oder dem Mullahregime im Iran führen.
Zweitens: Das Bündnis mit der Hamas wird verglichen mit dem Bündnis der kommunistischen Partei Chinas mit der Kuomintang. Die Kuomintang vertrat damals jedoch die nationale Bourgeoisie aufgrund der national-demokratischen Gedanken von Dr. Sun-Ya Zen, während die Hamas von Anfang an der verlängerte Arm oder das Werkzeug reaktionärer ausländischer Mächte ist.6Heute dient sie den Interessen von Katar, Iran und der Türkei. Wir bezeichnen sie alle als neuimperialistische Länder, die um Ausweitung ihrer Machtposition im Mittleren Osten kämpfen und sich dafür der Organisationen wie der Hamas bedienen. Unabhängig davon, ob man diese Länder als neuimperialistisch bezeichnet oder »nur« als reaktionäre Großmächte - ihren verlängerten Arm als Führungskraft im Kampf zu akzeptieren zerstört den Befreiungskampf und macht ihn zum Spielball zwischen imperialistischer Konkurrenz.
Drittens: Nicht nur Lenin betonte - wie oben ausgeführt – die notwendige Selbstständigkeit der Kommunisten in Bündnissen des nationalen Befreiungskampfes. Auch Mao Zedong vertrat die Dialektik von Unabhängigkeit und Selbständigkeit in der Einheitsfront (5. November 1938)7und schrieb:
- »Unser Kurs lautet: Unabhängigkeit und Selbständigkeit in der Einheitsfront, sowohl Einheit als auch Unabhängigkeit.«8Er kritisierte entschieden»eine rechte Abweichung«, nach der»die prinzipiellen Unterschiede zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei verwischt, eine unabhängige und selbständige Politik im Rahmen der Einheitsfront abgelehnt, … der Kuomintang Zugeständnisse gemacht, … nicht gewagt (wird), die antijapanischen revolutionären Kräfte kühn zu entwickeln und einen entschlossenen Kampf gegen die Kuomintang-Politik der Bekämpfung und Einschränkung der Kommunistischen Partei zu führen«9
Mao Zedong warnte also ganz entschieden vor der Unterordnung der Kommunisten bzw. der Revolutionäre unter bürgerliche oder kleinbürgerliche Kräfte, die in die Niederlage führe:
- „Die Hauptursache für die Niederlage der Revolution im Jahre 1927 bestand darin, dass infolge des Vorhandenseins einer opportunistischen Linie in der kommunistischen Partei keine Anstrengungen gemacht wurden, um die eigenen Reihen (d. h. die Arbeiter-und Bauernbewegung und die von der kommunistischen Partei geführte Armee) zu entfalten, sondern dass man sich nur auf den zeitweiligen Verbündeten, auf die Kuomintang, stützte.“10
PFLP und DFLP sind fortschrittliche, säkulare demokratische Kräfte mit einem eindeutig revolutionären Anspruch. Aber wo treten sie im heutigen Kampf in Erscheinung? Wo ist die revolutionäre bzw. marxistisch-leninistische Strategie und Taktik? Warum wird der Verzicht auf öffentliche Kritik an der Hamas gefordert? Wo ist die weltanschauliche und politische Auseinandersetzung mit den fundamentalistisch-islamistischen Kräften wie der Hamas oder dem Dschihad? Natürlich entscheiden PFLP und DFLP selbst über ihren Weg, ihre Strategie und Taktik, das ist ihr gutes Recht. Aber es ist auch unsere Pflicht, mithilfe der Klassiker des Marxismus-Leninismus und der konkreten Analyse der konkreten Situation heute uns eine Meinung dazu zu bilden und auf Augenhöhe zu diskutieren.
Viertens: Die Hamas vertritt weltanschaulich faschistische Grundpositionen. Sie hat zwei programmatische Grundlagen: die Charta von 1987/88 und das Strategiedokument von 2017. Sie erklärt in der Charta, die durch das Strategiepapier ausdrücklich nicht aufgehoben wurde:»Die islamische Widerstandsbewegung ist ein Zweig der Muslimbruderschaft in Palästina.«Sie fordert uneingeschränkte Huldigung und droht:»Wer hier ihr Recht abspricht und es versäumt, sie zu unterstützen oder verblendet ist und sich dementsprechend bemüht, ihre Rolle zunichte zu machen, der fordert das Schicksal heraus.«Das strategische Ziel ist eindeutig antisemitisch und rassistisch gegen »die Juden« gerichtet und die Charta schreibt unter Bezug auf den Propheten:»Die Stunde wird kommen, da die Muslime gegen die Juden so lange kämpfen und sie töten, bis sich die Juden hinter Steinen und Bäumen verstecken.« Und weiter:»Die Palästina-Frage kann nur durch den Dschihad gelöst werden…. Denn Palästina ist islamischer Boden«. Besonders hanebüchen ist die »bedeutende« Rolle, die den Frauen zugewiesen wird:»…in der Führung des Haushalts und der Unterweisung der Kinder… in Vorbereitung auf deren Rolle als Dschihad Kämpfer.«Zur Schaffung ihrer Massenbasis propagieren sie auch »soziale Solidarität«, die aber wiederum rassistisch gegen »die Juden« gerichtet ist:»Die Juden handeln unterschiedslos nazistisch… Um sich diesen Taten zu widersetzen bedarf es sozialer Solidarität.« Der palästinensischen Nationalbewegung wird Solidarität und Unterstützung zugesagt, sofern sie antikommunistisch ausgerichtet ist und sich nicht »dem kommunistischen Osten« anschließt. Und als weitere Trennungslinie wird klar gezogen: jede »säkulare Ideologie widerspricht gänzlich unserer religiösen Ideologie«.11Das Strategiepapier von 201712macht ausführlichere Darlegungen zu Toleranz, Menschenrechte und Zusammenarbeit auch mit anderen Religionen. Es dient aber ausdrücklich nicht als Ersatz der Charta, sondern passt sich dem veränderten Zeitgeist an und propagiert auch dort hauptsächlich den militärischen Widerstand. Vor kurzem erlebten wir wie die Taliban nach der Wiedererlangung der Macht in Afghanistan sich in ihrer Ausdrucksweise und ihren Versprechen auch ausdrücklich den Menschenrechten, sogar den Frauenrechten usw. verpflichteten. Sogar die westlichen Medien lobten – ähnlich wie bei dem Strategiepapier von 2017 –, dass die Taliban konzilianter, gebildeter und offenbar zur Partnerschaft bereit seien. Was daraus wurde haben wir alle erlebt.
Die (auch noch öffentlich unkritische) Zusammenarbeit mit weltanschaulich und politisch reaktionären Kräften lehnen wir als Bestandteil der»Querfront-Politik«prinzipiell ab. Sie wird in den letzten Jahren ganz besonders vom russischen Präsidenten Putin, von Faschisten und großen Teilen der Revisionisten propagiert.
Mao Zedong hat, erst recht nicht in der Zusammenarbeit mit der Kuomintang jeweils auf die weltanschauliche Auseinandersetzung verzichtet oder gar akzeptiert, die kommunistischen Ideen zurückzustellen oder wie es damals gefordert wurde sie »zurückzuziehen«. Er schrieb:
- »Die Weltanschauungen sind verschieden. Die Weltanschauung des Kommunismus ist der dialektische und historische Materialismus, während die (Geschichtsauffassung der Kuomintang)ihrem Wesen nach dualistisch oder idealistisch ist, so daß nun beide Weltanschauungen einander entgegengesetzt sind. …Diesen Unterschied ignorieren, nur die eine Seite, die Einheit, sehen und nicht auch die andere Seite, die Widersprüche, das wäre zweifellos ein schwerer Fehler. Ist das klar, so sieht man auch, was die bürgerlichen Ultrakonservativen mit ihrer Forderung, den Kommunismus ‚zurückzuziehen‘, im Sinne haben. Erkennt man nicht, dass es hierbei um einen Despotismus der Bourgeoisie geht, dann ist man ein kompletter Ignorant.«13
Fünftens: Dass das palästinensische Volk sich auch das Recht nimmt, gegebenenfallsbewaffnet gegen die Besatzung zu kämpfenist sogar durch das bürgerliche Völkerrecht gedeckt. Aber auch ohne dies lehrt die geschichtliche Erfahrung, dass die imperialistischen Mächte niemals freiwillig bereit sind ihre Macht abzugeben.
Auch wenn es am 7. Oktober Angriffe auf militärische Ziele gab, auch Gefechte mit bewaffneten »Zivilisten« und bei der Rückeroberung durch die israelische Armee brutal massenhaft Zivilisten ermordet wurden, lässt sich nicht leugnen, dass esfaschistische Massaker im Angriff vom 7. Oktober gab. Wenn diese jetzt geleugnet und als von Israel inszeniert behauptet werden, so ist dies weder bewiesen noch plausibel. Wie passt es zusammen, dassIsrael völlig überrascht und gedemütigt gewesen sei von dem Angriff, aber innerhalb von kürzester Zeit verkleidete Massaker ausgeübt haben soll? Wie passt es damit zusammen, dass Hamas oder Dschihad selbst stolz Aufnahmen davon ins Netz stellten? Wie passt es zusammen, dass der Sprecher der Hamas betont, es seien »eigentlich« nur militärische Ziele gedacht gewesen und sich damit indirekt von Massakern an der Zivilbevölkerung distanziert? Wie soll, gerade unter strategischen Gesichtspunkten dasüberzeugende Bild eines demokratischen, ja sozialistischen Palästinagezeichnet werden, wenn mit solchen Methoden vorgegangen wird?
Unmissverständlich vertrat Mao Zedong, dass es keine Zustimmung zu Massakern, keine Zusammenarbeit mit ultrareaktionären Antikommunisten geben kann. Er schrieb über diese in der Koumintang:
- „alle jene(n), die es gewagt haben, (...) Gemetzel (…) anzurichten, die es wagen, das Grenzgebiet zu unterminieren, die es wagen, fortschrittliche Truppeneinheiten, fortschrittliche Organisationen und fortschrittliche Personen zu überfallen (...) müssen wir jeden Schlag mit einem Gegenschlag vergelten und dürfen dabei keine Zugeständnisse machen.“14
Sechstens: Der ganzen Führung des Angriffs musste klar sein, dass kein dauerhafter Sieg oder nachhaltige Positionen gegen das zionistische Israel in dieser Situation erreicht werden. Während sämtliche erfolgreichen Volksbefreiungs – und Guerillakämpfe in China, Vietnam oder auch Kuba darauf abzielten, das Volk zu schützen und Niederlagen und Opfer zu vermeiden, werden in der Charta der Hamas ausdrücklich Angriffe und Tod im Kampf gegen den Zionismus verherrlicht:»Wahrlich, ich wünsche mir, für Gott zu kämpfen und getötet zu werden, und wieder anzugreifen und getötet zu werden und nochmals anzugreifen und getötet zu werden.«15 Das ist ebenso wie das Attentat an der Bushaltestelle in Jeruslaem am 30.11.2023 , zu dem sich Hamas bekannte, eine faschistische Strategie und Taktik, die die Massen trifft und sicherlich auch mutige und selbstlose junge Kämpfer sinnlos opfert. In einer säkularen Weltanschauung sind Angriffe ohne nüchterne Einschätzung des nachhaltigen Erfolgs und ohne Rücksicht auf die Opfer anarchistisch und abenteuerlich.
Siebtens: Die schlimmsten Brutalitäten des zionistischen Israel rechtfertigen nicht, selbst mit Angriffen auf die Zivilbevölkerung zu antworten und zum Beispiel Zivilisten, einschließlich Kleinkindern und alten Menschen als Geiseln zu nehmen. Man kann nicht alle Menschen in Israel zu Zionisten erklären, die gleichermaßen bekämpft oder gar möglichst getötet werden müssen. Im Gegenteil müssen die Arbeiterklasse und die breiten Massen in Israel mit dem palästinensischen Befreiungskampf zusammengeschlossen und dabei auch überzeugt werden, dass wie Lenin unter Berufung auf Karl Marx sagte»ein Volk, das andere unterdrückt, selbst nicht frei sein kann«16.
Auch hier war Mao Zedong eindeutig, als der Volksbefreiungsarmee die »milde« Behandlung japanischer Kriegsgefangener vorgeworfen wurde. Er antwortete:
- »So erklärt beispielsweise die japanische Armee heute schon offen, daß sie gegen die Achte Route-Armee Giftgase anwenden wird, aber selbst in diesem Fall werden wir unsere Politik der milden Behandlung der Gefangenen nicht ändern. Wir werden die gefangenen japanischen Soldaten … nach wie vor mit Milde behandeln, wir werden sie nicht beleidigen noch schmähen, sondern werden ihnen die Gemeinsamkeit der Interessen der beiden Völker auseinandersetzen und sie freilassen. Denjenigen, die nicht zurückkehren wollen, wird die Möglichkeit geboten, in der Achten Routearmee zu dienen.«17
Achtens: Der proletarische Internationalismus erfordert, dass sich die Arbeiterklasse der ganzen Welt und insbesondere die palästinensische und arabische Arbeiterklasse mit der Arbeiterklasse in Israel zusammenschließt. Es wird demgegenüber argumentiert, es gebe keine Arbeiterklasse in Israel,es gebe einen kolonialen Konsens mit den proletarischen Siedlern18und es handle sich dort nur um»eine künstliche, erfundene Wirtschaft«19. Das widerspricht der Realität. Von rund 3,5 Millionen Beschäftigten arbeiten nach Angaben der OECD in Israel über 500.000 in der Industrie, 2,9 Millionen im Dienstleistungsbereich und nur 20.000 in der Landwirtschaft.20Aus dem »Dienstleistungsbereich« gehört aber auch ein großer Teil zur Arbeiterklasse, da dieser beispielsweise den Transportsektor, Müllabfuhr und öffentlicher Dienst, Gastronomie, Hotels und Hausangestellte umfasst. Zur Arbeiterklasse gehören jüdische, säkulare und arabisch-muslimische Israelis wie Palästinenser. Lenin hob zu dieser Frage der notwendigen länderübergreifenden, internationalen Arbeitereinheit der unterdrückten und der unterdrückenden Nationen hervor: Es
- »müssen die Sozialisten der unterdrückten Nationen auf die vollständige und bedingungslose, auch organisatorische Einheit der Arbeiter der unterdrückten Nation mit denen der unterdrückenden Nation besonders bestehen und sie ins Leben rufen. Ohne dies ist es unmöglich, auf der selbstständigen Politik des Proletariats sowie auf seiner Klassensolidarität mit dem Proletariat der anderen Länder bei all den verschiedenen Streichen, Verräterreien und Gaunereien der Bourgeoisie zu bestehen.«21
Liebe Freunde und Genossen!
Was heute nötig ist, ist eine neue revolutionäre Intifada, ein Volksaufstand, der sich unter Führung der Arbeiterklasse auf die breiten Massen stützt, der vor allem den internationalen Zusammenschluss der Arbeiterklasse und aller Unterdrückten sucht, eine revolutionäre Partei aufbaut und eine klare Trennungslinie zu faschistischen Kräften zieht. Um noch einmal Mao Zedong zu zitieren:
- „Heute ist die internationale Hilfe nötig für den revolutionären Kampf eines jeden Landes und einer jeden Nation. (...) In der Vergangenheit waren die Kräfte der chinesischen Revolution eine Zeitlang durch Tschiang Kai-schek von den internationalen revolutionären Kräften abgeschnitten, und wir waren in diesem Sinne isoliert. Jetzt hat sich die Lage geändert (...). Wir werden nicht mehr isoliert sein. Das ist eine der notwendigen Voraussetzungen für den Sieg Chinas“22
Wenn ich jetzt recht ausführlich unter marxistisch-leninistischen Kriterien die Strategie und Taktik des palästinensischen Befreiungskampfes in Auseinandersetzung mit Vorwürfen an uns diskutiert habe, so steht diese kritische Diskussion keine Minute im Gegensatz zur jederzeitigen praktischen Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf. Im Gegenteil, diese Auseinandersetzung dient ihm. Allein seit dem 7. Oktober haben wir in Deutschland 42 Kundgebungen bzw. Demonstrationen als MLPD initiiert, angemeldet und stets zusammen mit palästinensischen Freundinnen und Freunden organisiert sowie an 28 Großdemonstrationen teilgenommen. Bei einigen Demonstrationen marschierten Repräsentanten von Hamas und Dschihad mit, in diesem Fall beteiligen wir uns nicht. In Essen gab es gar eine Demonstration der angeblichen Solidarität mit Palästina und dem strategischen Ziel eines islamischen Kalifats. Vorneweg marschierten die Männer, dahinter demütig die Frauen. Diese Demonstration verurteilten wir. In Verbindung mit diesen Demonstrationen sind wir aber selbstverständlich auch auf der Straße aktiv und wenden uns breit an die Masse der Bevölkerung und insbesondere an die Arbeiter in den Betrieben.
Bei den Demonstrationen wurde mehrfach eine Erklärung des ZK der MLPD beschlagnahmt mit dem Vorwurf der Volksverhetzung wegen der Parole »Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf«, Verhaftungen und Strafanzeigen gegen unsere Genossen gestellt, Kundgebungen und Demonstrationen verboten, die wir dennoch verwirklichten. In Deutschland haben wir maßgeblich die Spendensammlung »Gaza soll leben« vorgeschlagen und vorangebracht, mit der schon über 20.000 € für Krankenhäuser, Ambulanzwagen und die Unterstützung eines demokratischen Pressedienstes gesammelt und übergeben wurden. In einer der gerade genannten und heftigsten Attacken ausgesetzten Erklärungen des ZK der MLPD heißt es:
- „Die Perspektive des palästinensischen Volkes, aber auch der Werktätigen und der Arbeiterklasse Israels, liegt im echten Sozialismus. Im echten Sozialismus auf der Grundlage der proletarischen Denkweise werden auch nationale Vorbehalte und Differenzen überwunden, wird der Geist der Völkerfreundschaft und internationalen Solidarität nationalistische Einflüsse überwinden. Ein sozialistisches Palästina, in dem Israelis und Palästinenser gleichberechtigt zusammenleben, ist das strategische Ziel des Befreiungskampfs dort. Eine demokratische Zweistaatenlösung auf Grundlage des UN-Teilungsplans von 1947, mit Räumung der besetzten Gebiete durch Israel und Abzug der Siedler-Besatzer, kann dabei eine Zwischenetappe sein, wenn sie mit einer sozialistischen Perspektive erkämpft wird. Dabei hat die Schmiedung der Arbeitereinheit zwischen israelischen und palästinensischen Arbeitern eine Schlüsselrolle. Es gilt, diesen Kampf zum Bestandteil der Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution gegen den Imperialismus zu machen.“23
1 MLPD, Grundlinien der Positionierung zum palästinensischen Befreiungskampf an die ICOR, online-Zeitung der ICOR, März 2023
2 https://www.mlpd.de/theoretisches-organ-revolutionaerer-weg/briefwechsel-und-dokumente/die-sackgasse-des-kleinbuergerlichen-nationalismus
3 Vgl. auch Brief der PPDS vom 15.10.23
4 Lenin, "II. Kongreß der Kommunistischen Internationale", Werke, Bd. 31, S. 230
5 Lenin, "Entwurf der Thesen zur nationalen und zur kolonialen Frage", Werke, Bd. 31, S. 138
6 Angefangen als palästinensischer Zweig der ultrareaktionären Muslimbruderschaft, die auch in Ägypten und Tunesien viele fortschrittliche Menschen und Revolutionäre auf dem Gewissen haben, wurde sie zunächst von Israel und den USA als reaktionäres Gegengewicht zur PLO finanziert.
7 Die Frage der Unabhängigkeit und Selbständigkeit in der Einheitsfront (5. November 1938)
8 Mao Zedong, Ausgewählte Werke, Band II, S. 252/253
9 Mao Zedong, Ausgewählte Werke, Band II, S. 525-526
10 Mao Zedong, Ausgewählte Werke, Band I, S. 193 f
11 Die Charta der Hamas im Wortlaut – ins Deutsche übersetzt, in: Kritiknetz, www.kritiknetz.de
12 2. Mai 2017, www.middleeasteye.net/news/hamas-2017-document-full, zitiert nach: Aufsätze zur Diskussion, NS-Vorgeschichte Israel und Zionismus, S.40 -46
13 Mao Zedong, Ausgewählte Werke, Band II, S. 421-424
14 Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band II, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1968, S. S.457-464
15 Charta der Hamas, a.a.O.
16 Lenin, Bd. 22, die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, Seite 151
17 Mao Zedong, Ausgewählte Werke, Band II S. 55
18 Zusammenfassung der Positionen der Unité communiste zum palästinensischen Widerstand, 12.11.2023
19 Brief der PPDS 15.10.23
20 OECD Labour Force Statistics 2022
21 Lenin, Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, Werke, Bd. 22, Seite 149
22 „Über die Taktik im Kampf gegen den japanischen Imperialismus“ in Mao Tsetung, Ausgewählte Werke, Bd. 1, Peking 1968, S. 199
23 Aktualisierte ZK-Erklärung der MLPD vom 5.11.2023