Palästina

Zur Diskussion gestellt in der revolutionären und Arbeiterbewegung innerhalb und außerhalb der ICOR

Hauptkoordinatorin der ICOR, 

Einleitung Hauptkoordinatorin: Entgegen ihrer sonstigen Gepflogenheiten hat die revolutionäre Weltorganisation ICOR bis heute keine Resolution zum aktuellen Krieg im Nahen Osten und zur Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf herausgegeben. Zum ersten Mal in der Geschichte der ICOR konnten wir bisher nicht zu einer vereinheitlichten Resolution kommen. Eine grundlegend vereinheitlichte Position besteht gegen den Staatsterror Israels. Dem entspricht, dass so gut wie alle Organisationen der ICOR engagiert tätig sind in der aktiven Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf. In Deutschland werden aktiv Spenden gesammelt und 15.000 € konnten bereits für die medizinische Versorgung nach Gaza überwiesen werden. Kontroversen haben sich entwickelt an der Beurteilung und der Zulässigkeit öffentlicher Kritik an politischen Kräften in Palästina wie Hamas und Dschihad. Wir wollen Gemeinsamkeit und Widersprüche publizieren und zur Diskussion stellen, um sie zu klären. Das baut auf auf einer online Zeitung, die die ICOR im März 2023 herausgegeben hat mit dem Titel „Der palästinensische Befreiungskampf.“ Die aufgebrochenen Widersprüche müssen in aller Gründlichkeit, Sorgfalt, Ernsthaftigkeit und mit Respekt geklärt werden

Zur Diskussion gestellt in der revolutionären und Arbeiterbewegung innerhalb und außerhalb der ICOR

Konsenspassage der ursprünglichen Resolution

Konsensbesteht über folgende Passage aus einem, durch einige Anträge erweiterten ICOR Resolutionsvorschlag:

Schluss mit Staatsterror und Krieg gegen das palästinensische Volk!

Weltweite Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf!

Stoppt die zerstörerische Bombardierung von Gaza!

Die ICOR verurteilt entschieden und mit Abscheu die Verhängung des Kriegsrechts, die brutale Bombardierung, die vollständige Blockade des Gaza-Streifens sowie den Einsatz von Bodentruppen durch die ultrarechte israelische Netanjahu-Regierung.

Der zionistische Staat geht nun zu hemmungsloser Rücksichtslosigkeit über, ruft den Notstand und den Krieg aus, um die Massaker an der palästinensischen Bevölkerung des Gazastreifens, vom Westjordanland bis zum Libanon zu forcieren und seine seit Jahren andauernde koloniale Besatzung auszuweiten.Mit der begonnenen Bodenoffensive Israels erreicht der Gaza-Krieg eine neue Stufe. 11.000 Menschen, davon zwei Drittel Kinder oder Frauen, starben im Hagel israelischer Bomben und Granaten. 1,5 Millionen Menschen wurden in die Flucht getrieben. Die imperialistische Aggression Israels entwickelt sich mehr und mehr zum Völkermord an unschuldigen Zivilisten. Die Bombardierung von Krankenhäusern in Gaza, die Aufforderung an die Menschen, den gesamten Norden des Gaza Streifens zu räumen und die Bombardierung des Flüchtlingscamps Jalabiah gehören zu den grausamsten Massakern des Krieges. Sofortige Beendigung dieses blutigen Krieges! Die Regierung hat dem Gazastreifen den Strom abgestellt. Wasser- und Lebensmittellieferungen wurden eingestellt. Die Unterbrechung der Stromversorgung für 2,2 Millionen Menschen kommt einer totalen Vertreibung aus der Region gleich. Die Tatsache, dass Israel überhaupt die Macht hat, dies zu tun, unterstreicht die tägliche und strukturelle Unterdrückung der Palästinenser in Gaza.

Die ganzen letzten Jahre und erst recht mit der Netanjahu Regierung, die sich jedoch nicht grundsätzlich von den »Oppositions-« Politikern unterscheidet, raubt die zionistische Siedlungspolitik dem palästinensischen Volk sein Land, tritt sein Selbstbestimmungs- und Lebensrecht des palästinensischen Volkes bis zum Völkermord mit Füßen und verbreitet mit der zionistischen Ideologie einen rassistischen, menschenfeindlichen Herrschaftswahn.

Das alles wäre ohne die Unterstützung der imperialistischen Regierungen, allen voran des amerikanischen Imperialismus, aber auch der imperialistischen EU in wirtschaftlicher, militärischer und politischer Hinsicht nicht möglich!

Dagegen ist der entschiedene weltweite Widerstand notwendig!

Der Angriff der Hamas im Bündnis mit anderen Kräften wird von der israelischen Regierung zum Vorwand genommen, um einen Krieg zu entfesseln, der sich zum Flächenbrand in der ganzen Region ausweiten kann.

Die Organisationen der ICOR sind sich einig im entschlossenen Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes!

Protestiert entschieden gegen den Staatsterror der Netanjahu-Regierung!

Das palästinensische Volk hat das Recht auf Widerstand gegen die Besatzung. Die israelische Besatzungsarmee und paramilitärische Gruppen töten jeden Tag Menschen, besetzen Land,das ihnen nicht gehört, und schikanieren die palästinensische Bevölkerung seit Jahrzehnten. Dies geschieht systematisch und entgegen zahlreicher UN-Erklärungen.“

Hauptkoordinatorin: Worin bestehen die kontroversen Standpunkte

Die Kontroverse besteht in der Beurteilung vor allem von Hamas und islamischer Dschihad und der Frage, ob sie Bestandteil eines palästinensischen Befreiungskampfes sind bzw. ob sie öffentlich kritisiert werden müssen oder ob dies eine Spaltung und Solidaritätsentzug ist:

Eine ganze Reihe von Organisationen halten Hamas und Dschihad für reaktionär, etliche für faschistisch. Sie kritisieren, dass in Verbindung mit dem Angriff am 7. Oktober menschenverachtende Massaker an Zivilisten in Israel stattgefunden haben, die nicht durch den Staatsterror Israels gerechtfertigt werden können. Sie betonen, dass es mit faschistischen Organisationen keine Zusammenarbeit der Revolutionäre geben kann und stattdessen der proletarische Internationalismus die Stärke der Bewegung ist.

Andere halten die Organisationen für reaktionär, sehen sie aber als Bestandteil des palästinensischen Widerstandes und halten öffentliche Kritik für Entsolidarisierung.

Eine Wurzel der Kontroverse ist auch, ob der imperialistische Hintergrund der Auseinandersetzung nur im US-Imperialismus besteht, der unzweifelhaft und vereinheitlicht Hauptkriegstreiber ist. Oder ob der Iran, Katar, die Türkei und andere ebenfalls (neue) imperialistische Mächte sind, die die Fäden ziehen und bekämpft werden müssen. Dem entgegen steht die These, dass nicht gleichzeitig gegen alle Imperialisten bzw. reaktionären Kräfte gekämpft werden kann und darf, wenn sie die palästinensische Sache unterstützen.

Eine ganze Reihe von Statements sind dazu bereits von den einzelnen Organisationen auf dieser Homepage veröffentlicht worden.


Aus der internationalen Koordinierungsgruppe (ICC) haben seit Wochen Genossen, die selbst Exponenten kontroverser Meinungen sind (MLPD und PPDS) versucht, mit zwei vereinheitlichtenKompromissvorschlägen eineEinheit für eine Resolution der ICOR zu finden. Docheine wirklich starke Mehrheit wird für keinen Vorschlag erreicht. Man kann aber solche Grundsatzfragen innerhalb der ICOR nicht mit knappen Mehrheits-Kampfabstimmungen lösen.

Erster Kompromissvorschlag

Der erste Kompromissvorschlag zusätzlich zum oben dargelegten Konsens lautete:

Die kollaborierende politisch-islamistische Hamas und der Islamische Dschihad haben sich seit Jahren mit den reaktionären, kolonialistischen und faschistischen politisch-islamistischen Regimen in der Region, wie dem Iran und der Türkei, sowie mit den Imperialisten verbündet und eine versöhnliche Haltung eingenommen. Ohne dass die revolutionären demokratischen Kräfte innerhalb der Bewegung des nationalen palästinensischen Befreiungskampfes die Führung übernehmen wird die Zusammenarbeit mit allen revolutionären Kräften in der Region und der Welt den Interessen der imperialistischen Mächte geopfert. Befreiungsbewegungen dürfen niemals die Methoden ihrer Gegner übernehmen, wie etwa Massaker an der Zivilbevölkerung.
Die Befreiung des palästinensischen Volkes, die ohne den Sturz des Besatzungsstaates Israel und des rassistischen Apartheidregimes der bürgerlichen politischen Kräfte, die ihre Existenz an diesen Kolonialstaat binden, nicht verwirklicht werden kann, wird nur durch den vereinten Kampf der Völker möglich sein, der auf volle Gleichheit, freiwillige Einheit und Sozialismus abzielt.
Die wichtigsten Verbündeten sind die Arbeiter und die breiten Massen auf der Welt in einer antiimperialistischen Bewegung für Demokratie, Freiheit und Sozialismus! Der Befreiungskampf des palästinensischen Volkes kann sich taktische Widersprüche zunutze machen und muss um die Gewinnung von Verbündeten kämpfen, aber er hat nur dann eine Perspektive, wenn er unabhängig von nationalistischen und reaktionär-faschistischen Kräften bleibt und letztlich die Perspektive des Sozialismus verfolgt. Dies ist auch eine harte Erfahrung aus der iranischen Revolution nach dem Sturz des Schahs.
Schluss mit dem Kriegsrecht, Rückzug aller Besatzer aus Palästina!
Solidarität mit dem Befreiungskampf des palästinensischen Volkes!
Treten wir aktiv ein für sein Recht auf Widerstand gegen Besatzung und Unterdrückung!
Freiheit für alle demokratischen politischen Gefangenen!
Es lebe der proletarische Internationalismus im Kampf für Demokratie, Freiheit und Sozialismus!

Zweiter Kompromissvorschlag

Der zweite Kompromissvorschlag zusätzlich zum oben dargelegten Konsens, der wesentlich von der CPA ML Australien ausging lautete:

„Die ICOR unterstützt das Recht aller unterdrückten Völker, ihre eigenen Führungsorganisationen zu wählen, hat aber auch die Pflicht, vom Klassenstandpunkt die verschiedenen Richtungen zu untersuchen und nach Möglichkeit zu beurteilen. Der gegenwärtige Widerstand der Palästinenser im Gazastreifen umfasst zum einen die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ). Die Hamas und der PIJ haben Verbindungen zu (ultra)reaktionären Regimes wie dem Iran und der Türkei, die beide große Teile ihrer eigenen Bevölkerung unterdrücken und, im Falle der Türkei, das befreite Gebiet Rojova im Nordosten Syriens bombardieren. Zum Widerstand gehören aber auch fortschrittliche und revolutionäre säkulare Organisationen wie die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas und die Volksfront zur Befreiung Palästinas. Die revolutionären demokratischen Kräfte und die Führung in der palästinensischen Befreiungsbewegung werden den nationalen Befreiungskampf der Palästinenser für Freiheit, Demokratie und Sozialismus vereinen, stärken und vorantreiben und die Hindernisse der zionistischen, imperialistischen und reaktionären Kräfte überwinden. Befreiungsbewegungen dürfen nicht die reaktionären Methoden ihrer Gegner wie Massaker an der Zivilbevölkerung übernehmen.

Die Befreiung des palästinensischen Volkes, die ohne den Sturz des Besatzungsstaates Israel und des rassistischen Apartheidregimes der bürgerlichen politischen Kräfte, die ihre Existenz an diesen Kolonialstaat binden, nicht verwirklicht werden kann, wird nur durch den vereinten Kampf der Völker möglich sein, der auf volle Gleichheit, freiwillige Einheit und Sozialismus abzielt.

Die wichtigsten Verbündeten sind die Arbeiter und die breiten Massen auf der Welt in einer antiimperialistischen Bewegung für Demokratie, Freiheit und Sozialismus! Der Befreiungskampf des palästinensischen Volkes kann sich taktische Widersprüche zunutze machen und muss um die Gewinnung von Verbündeten kämpfen, aber er hat nur dann eine Perspektive, wenn er unabhängig von nationalistischen und reaktionär-faschistischen Kräften bleibt und letztlich die Perspektive des Sozialismus verfolgt. Dies ist auch eine harte Erfahrung aus der iranischen Revolution nach dem Sturz des Schahs.

Schluss mit dem Kriegsrecht, Rückzug aller Besatzer aus Palästina!

Solidarität mit dem Befreiungskampf des palästinensischen Volkes!

Treten wir aktiv ein für sein Recht auf Widerstand gegen Besatzung und Unterdrückung!

Freiheit für alle demokratischen politischen Gefangenen!

Es lebe der proletarische Internationalismus im Kampf für Demokratie, Freiheit und Sozialismus!“

Schickt uns fundierte Diskussionsbeiträge zur Veröffentlichung

Ich halte es für unverzichtbar, die Auseinandersetzung in der internationalen revolutionären und antiimperialistischen Bewegung weiter zu führen. Zugleich können wir mit Taten nicht warten – und das tun wir auch nicht. Jede ICOR Organisation ist aufgefordert, auf der Grundlage der revolutionären, marxistisch-leninistischen Theorie, ihrer eigenen Analysen und bisherigen Standpunkte eine starke Solidarität mit dem Befreiungskampf des palästinensischen Volkes zu entwickeln und gleichzeitig den Kampf um die Vereinheitlichung der Revolutionäre mit einer proletarischen Streitkultur zu führen. Diskutiert diese Fragen und schickt uns fundierte Diskussionsbeiträge zur Veröffentlichung!

Monika Gärtner-Engel

Hauptkoordinatorin der ICOR